Die Herzogin von Chicago
Die reiche Amerikanerin Mary Lloyd besucht mit ihrem Sekretär James Bondy in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Europa. Mit im Gepäck die Absicht, das zu kaufen, was für Geld am Schwersten zu kriegen ist.
Schnell nimmt sie den Prinzen Sandor Boris von Sylvarien ins Visier: Ihn will sie heiraten. Wenn ihr dies gelingt, winkt der Hauptpreis einer Wette, die sie mit ihren Freundinnen des «Excentric Ladies Club» eingegangen ist.
Natürlich geht das Ganze nicht ohne Komplikationen vonstatten.
Auf der einen Seite ist der verarmte Prinz eigentlich bereits seiner noch ärmeren Cousine Prinzessin Rosmarie von Morenien versprochen. Eine Idee, die weder beim Prinzen noch bei der Prinzessin Glücksgefühle hinterlässt. Auf der anderen Seite findet der Prinz die Aussicht, eine Siegertrophäe für eine amerikanische Lady zu sein, alles andere als appetitlich.
Ob es letztlich die leere Staatskasse ist oder Cupidos Pfeile, die den Ausschlag geben, ein Happy End winkt allen Beteiligten.
Vorspiel
Budapest um 1920: In einem Café erwartet alles die Ankunft der reichen Amerikanerin Mary Lloyd, die mit ihrem Sekretär James Bondy unterwegs ist. Damit sich die Gäste aus Übersee wohl fühlen, wird sogar die Kaffeehaus-Band auf Jazzmusik getrimmt.
Dies wiederum missfällt einem Gast besonders: Prinz Sandor Boris von Sylvarien. Dieser ist in Tihanyis' Kaffee immer gerne inkognito untergetaucht, um die Wiener Musik zu geniessen und dem Leben als Kronprinzen zeitweise zu entfliehen.
Als Mary das Kaffee betritt, ist der Prinz «not amused»: Diese Musik! Diese Manieren! Dieser Reichtum! Die Exaltiertheit der Amerikanerin und ihres Sekretärs sind für den traditionsbewussten Prinzen ein Graus. Dazu kommt, dass der Staat Sylvarien komplett bankrott ist und ausgerechnet Marys Vater die Ölgruben aufgekauft hat.
Als Mary Prinz Sandor noch zu einem Charleston-Tanz überreden will, kann dieser nicht mehr an sich halten und befiehlt der Kappelle, die schönen, alten Lieder zu spielen. Doch dies spornt Mary noch mehr an, denn sie reist mit einer Wette im Gepäck, die sie unbedingt gewinnen will: Als Mitglied des Excentric Ladies Club hat sie mit ihren amerikanischen Freundinnen gewettet, dass sie in Europa das kaufen wird, was für Geld am Schwersten zu kriegen ist.
1. Akt
Im Schloss von Prinz Sandor geht es drunter und drüber. Erst muss er vor seinem Volk die Abwesenheit seines Vaters erklären, der im Casino von Monaco sein letztes Hemd verspielt; dann kommt Prinzessin Rosmarie von Morenien zu Besuch, die er heiraten soll. Doch beide sind von dieser Idee nicht wirklich überzeugt. Mary kommt ins Prinzenschloss und will es mit ihren Dollars gleich kaufen. Dies würde auch den Staatshaushalt sanieren.
Nach anfänglichem Widerstand willigt der Prinz in den Kauf ein und freundet sich immer mehr mit der schönen Amerikanerin an. Derweil kommen sich Prinzessin Rosmarie und Marys Sekretär James Bondy immer näher. «Love is in the air» würde John Paul Young jetzt singen und uns damit einen schrecklichen Ohrwurm verpassen.
2. Akt
Mary hat das Schloss auf amerikanische Weise renoviert und bekommt nun Besuch von ihren Freundinnen und ihrem Vater. Sie sind alle direkt aus Amerika hergekommen, um Marys neuesten Streich zu begutachten: ein ganzes Schloss und sogar noch den dazugehörigen Prinzen in der Tasche! Mary und ihr Sekretär werden in den Adelsstand gehoben. Sie ist nun die Herzogin von Chicago. Ganz klar, Mary hat in den Augen ihrer Freundinnen die Wette gewonnen!
Von Letzterer hört Prinz Sandor aber zum ersten Mal. Und obwohl er sogar bereits Charleston-Tanzstunden genommen hatte, um Mary zu beeindrucken, ist er not amused darüber, Gegenstand einer Wette gewesen zu sein. Er versammelt alle im Schloss und verkündet, dass er heiraten wird - und zwar Prinzessin Rosmarie. Dies ist für Mary und ihren Sekretär Bondy ein harter Schlag. Der 2. Akt endet in einem Tumult.
Nachspiel
Wir befinden uns wieder im Budapester Kaffeehaus. Sandors Vater, König Pankraz, ist aus Monaco zurückgekehrt, allerdings sitzen bei ihm gewisse Schrauben locker. Mary tritt auf, und Pankraz kann nicht verstehen, wie sein Sohn diese Frau nicht heiraten wollte. Er versucht sich selbst anzubieten, scheitert aber kläglich. In der Folge erfährt man aus der Zeitung, dass Prinzessin Rosmarie aus Sylvarien geflohen ist und dass seit einigen Tagen ein mysteriöser Mann mit Mary im Kaffee gesichtet wurde.
Sandor besucht ebenfalls das Kaffee. Als er Mary mit diesem mysteriösen Mann sieht, überkommt ihn die Eifersucht. Ihm wird klar, dass er Mary nicht verlieren will und er fordert den mysteriösen Mann heraus.
An dieser Stelle, liebes Publikum, werden wir nicht weiter erzählen. Es wäre zu schade zu spoilern, ob es letztlich die leere Staatskasse oder Cupidos Pfeile waren, die den Ausschlag für das Happy End aller Beteiligter gegeben hat.
Emmerich Kálmán wurde als Imre Koppstein am 24. Oktober 1882 in Siófok am Balaton (Plattensee) geboren. Als der Zigeunerbaron von Johann Strauss 1885 seine Premiere feierte, war Kálmán also gerade einmal drei Jahre alt. Sein Vater, der jüdische Getreidehändler Karl Koppstein, schickte den jungen Imre bereits als 10-jährigen nach Budapest ans Gymnasium. Er zeigte früh musikalische Begabung und wollte, inspiriert von seiner musikalischen Schwester, Pianist werden. Diese Hoffnung wurde aber durch eine Nervenerkrankung der Arme zunichte gemacht. Noch als Gymnasiast
schrieb er sich an der berühmten Budapester Musikakademie ein, wo er Komposition und Musiktheorie zusammen mit Bela Bartók und Zoltán Kodály studierte. Seine Eltern bestanden allerdings auf einem Jurastudium, welches er nur widerwillig absolvierte und kurz vor dem Doktorat abbrach. Stattdessen bestritt er seinen Lebensunterhalt vorerst als Musikkritiker und komponierte «seriöse» klassische Musik, u.a. ein Scherzando für Streichorchester und die Symphonische Dichtung SATURNALIA. Er unternahm Anstrengungen, Verleger für seine Kompositionen zu finden, scheiterte aber. Frustriert soll er gesagt haben: «Wenn es so weiter geht, schreibe ich noch eine Operette!»
Und so sollte es kommen. Erste Publikumserfolge als Komponist hatte er mit Couplets und Kabarettliedern, sein erster
grosser Operettenerfolg war TATÁRJÁRÁS (Herbstmanöver) im Jahr 1908, woraufhin er nach Wien übersiedelte, ins Zentrum der Operette, um seine Komponistenkarriere voranzutreiben. 1912 folgte ein nächster Erfolg mit DER ZIGEUNERPRIMAS. Seine beiden weltbekannten Werke DIE CSÁRDÁSFÜRSTIN und GRÄFIN MARIZA schrieb er 1915 bzw. 1924. Mitte der 1920er Jahre war die Zukunft der Operette zunehmend in Frage gestellt, moderne Tanzmusik, Revuen und musikalische Einflüsse aus Amerika wetteiferten um die Gunst des Publikums. Sogar die seriöse Gattung der Oper
setzte sich erfolgreich mit dem Einfluss amerikanischer Jazz-Musik auseinander. Ernst Krenek’s JONNY SPIELT AUF hatte 1927 Premiere und wurde zu einem internationalen Sensationserfolg. Kálmán, zusammen mit seinen Librettisten Julius Brammer und Alfred Grünwald, sah im Stoff der HERZOGIN VON CHICAGO eine Möglichkeit, sich in neuen Stilen auszuprobieren, musikalisch «upto-date» zu sein und gleichzeitig seinen traditionellen Operettenstil zu verteidigen, indem er den musikalischen Konflikt selbst zum Thema des Stücks macht.
Die Welten der zwei Hauptpersonen Miss Mary Lloyd aus Amerika (Charleston, Foxtrott und Blues unterstützt vom modernem Saxophon-Sound) und Prinz Sandor Boris von Sylvarien (ungarischer Csárdás und Wiener Walzer,
verkörpert vom Zigeunerprimas auf der Bühne) prallen musikalisch effektvoll aufeinander. Anfangs scheinen die Gegensätze unvereinbar zu sein, denn beide Seiten weigern sich standhaft, die musikalischen und tänzerischen
Vorlieben des Anderen zu akzeptieren. Doch gerade dieses Konfliktpotential wird von Kálmán genutzt, um dramatische Steigerungen und kontrastierende Stile in seiner typischen Art kompositorisch umzusetzen. Traditionelle, kálmánsche Kantilenen, süsser Streicherklang und feurige Csárdás wechseln ab mit schmissigem Foxtrott und Charleston. Auch im Orchester macht sich die Modernisierung bemerkbar, Saxophon, Klavier, Celesta und Schlagwerk erweitern farbig den
traditionellen Klang. Dabei darf das Publikum selbst entscheiden, welche musikalische Seite es favorisiert. Die traditionelle, melodiöse, walzerselige, fast ans reaktionäre grenzende Welt von Prinz Sándor oder die schillernde, pulsierende, swingende, moderne von Mary Lloyd und ihrer Gefolgschaft? Entscheiden Sie selbst!
Oder besser noch, geniessen sie gleichermassen die kontrastierende musikalische Vielfalt. Denn die beiden musikalischen Gegenspieler werden sich im Verlauf des Abends nicht nur musikalisch näher kommen – soviel sei verraten!
Und so wurde das Werk von der Wiener Presse aufgenommen:(Kritik von Ernst Decsey, Neues Wiener Tagblatt, 6. April 1928)
Nur Kálmán konnte dieses Kálmán-Buch komponieren (...) Er kann Wienerisch, Amerikanisch, Walzerisch, Charlestonisch, er kann Zerfliessen, und Elegie, kann Schmiss, Tumult und Melancholie und kann schliesslich seine Muttersprache: Ungarisch. Für ihn bildet Zwei- oder Dreivierteltakt keine Frage mehr, er kennt die Dosierungen und Mischungen des Parfüms, die Demagogie der Zigeunergeige wie die des Saxophons (...) Es ist echter Kálmán, der mit einer Träne in der Stimme sagt: «Wiener Musi, konntest einst die Welt betören», und echter Kálmán, der mit gespitzter Pfeiflippe anstimmt: «In Chicago, wissen Sie, was sich da tut?»
Regieassistenz
Assistenz Kostüme
Mary Lloyd
Herzlichen Dank unseren Sponsoren und Patronatsträger
6210 Sursee