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Johann Strauss (Sohn)
(1825 - 1899)

Johann Strauss (Vater), Kapellmeister und Komponist, der bis dahin unangefochtene König der Wiener Tanz- und Ballsäle, hatte für seinen ältesten Sohn Johann eigentlich eine Be- amtenlaufbahn vorgesehen. Dieser zeigte sich jedoch wenig interessiert und liess sich – unterstützt von seiner Mutter – ebenfalls zum Musiker ausbilden, zum Missfallen seines Vaters: „Jetzt will der Mistbub, der Schani, auch Walzer schreiben, wo er keinen Dunst davon hat!“ Mit 19 Jahren debütierte er sensationell mit seinem eigenen Tanzorchester und etablierte sich bald als ernstzunehmender Konkurrent des Vaters. Nach dessen Tod im Jahr 1849 übernahm er sein Orchester und führte es mit dem eigenen zusammen, auf dem besten Wege, selbst „Walzerkönig“ von Wien zu werden. Strauss’ Musik hat schon zu Lebzeiten eine fast beispiellose Popularität erreicht, die bis heute anhält. Wer kennt nicht das weltberühmte Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker und Kompositionen wie den Donau- oder den Kaiserwalzer? Von seinen Komponistenkollegen wurde er verehrt ob seines unerschöpflichen Melodienreichtums und seiner musikalischen Eleganz. Brahms sagte über ihn: „Er ist der Einzige, den ich beneide – er trieft von Musik, ihm fällt immer etwas ein.“ Und Verdi betitelte ihn als „...einen meiner genialsten Kollegen.“

DER ZIGEUNERBARON – Operette oder komische Oper?

Jaques Offenbach, dessen Werke die Operettentheater der Zeit beherrschten, inspirierte Strauss dazu, sich der Komposition von Bühnenwerken zuzuwenden. Mit der FLEDERMAUS, seiner dritten Operette, schuf er sein erfolgreichstes und meistgespieltes Stück. Zehn Jahre später, als reifer Komponist auf dem Zenit seines Schaffens, konnte er mit dem ZIGEUNERBARON an diesen Erfolg anknüpfen, jenem Werk, das vielleicht am ehesten in der Nähe der Gattung Komische Oper anzusiedeln ist.

Ein historischer Stoff, eine verwickelte Handlung, Vertreibung, Wiederkehr, Kriegswirren, ein Goldschatz, unmögliche Liebe ob gesellschaftlicher Barrieren sind der Stoff für eine Komposition, die von Strauss ursprünglich für die Wiener Hofoper (heute Staatsoper) vorgesehen war. Zusammen mit seinem Librettisten Ignaz Schnitzer nahm Strauss eine Vorlage des populären ungarischen Schriftstellers Maurus „Mór“ Jókai in Angriff, den er anlässlich einer Konzertreise in Budapest kennenlernte (die Novelle „Sáffi“). Die Arbeit am Zigeunerbaron sollte – ungewöhnlich für Strauss – fast zwei Jahre in Anspruch nehmen.

Zweifel plagten Strauss, ob das ungewöhnliche und vielschichtige Werk vom strengen Wiener Publikum angenommen werden würde. Er schrieb an seinen Librettisten: „Das Schreiben und das Lesen, und dann das mit dem ‚Schweinespeck‘, das geht nicht. Ich kenne das Wiener Publikum – wenn der Girardi mit dem heraustritt, werden wir angeblasen und alles ist pfutsch!“ (Alexander Girardi war der Premierendarsteller des Zsupán).

Die Premiere am 24. Oktober 1885 im Theater an der Wien, einen Tag vor Strauss’ 60. Geburtstag, wurde trotz Strauss’ Bedenken ein rauschender Erfolg und dauerte fast bis Mitternacht, weil viele Nummern auf Verlangen des Publikums wiederholt werden mussten.

Schon mit den ersten Tönen der Ouvertüre versetzt uns der Komponist hörbar an einen Ort weit entfernt vom walzerseligen Wien. Doch schon bald hält die Operette Einzug: „Als Flotter Geist“, Barinkays Couplet mit dem Refrain im unverkennbar wienerischen 3/4-Takt und Zsupáns Aufrittslied im Polka-Takt zeugen vom Tanzmusik-Komponisten Strauss. Grossangelegte Ensembles und Finali, „opernhafte“ Duette, Terzette und Chöre zeigen aber auch seine Ambitionen, der reinen Operettenkomposition zu entwachsen. Besonders in diesen Teilen (z.B. dem Liebesduett Sáffi-Barinkay im 2. Akt) beschenkt uns Strauss mit tiefempfundener romantischer Musik von einmaliger Schönheit.

Die Anforderungen der Komposition an die Stimmen der Hauptdarsteller sind hoch: grosser Tonumfang, Durchschlagskraft, Legato und Ausdauer werden vor allem von den zwei Hauptpartien Sáffi (Sopran) und Barinkay (Tenor) erwartet. Dem Chor wird ebenfalls eine grosse Bedeutung gegeben, insbesondere bei den beiden grossen Finali zum 1. und 2. Akt spielt er musikalisch und darstellerisch eine tragende Rolle.

Musikalische Einflüsse aus verschiedenen Sphären der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn werden im ZIGEUNERBARON wundervoll vereint, ungarischer Csardas, Wienerwalzer, Polka, Militärmärsche sowie die exotisch-dunkle, mystische Musik der beiden Zigeunerinnen Sáffi und Czipra und des Zigeunerchors.

Abschliessend lässt sich die Frage „Der ZIGEUNERBARON – Operette oder komische Oper?“ wohl nicht hinreichend beantworten, vereint der ZIGEUNERBARON doch in wunderbarer Weise Elemente aus beiden Genres zu einem einzigartig farbigen, mitreissenden Werk, das zu Recht – neben dem Welterfolg der FLEDERMAUS – seinen ebenbürtigen Platz in der Musikgeschichte eingenommen hat.