Erster Akt: Im Paris der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts
Die Nachwehen der bolschewistischen Oktoberrevolution von 1917 haben viele russische Menschen aus ihrem Vaterland vertrieben, so auch den Zirkusunternehmer Stanis- lawsky, der sich in Paris aber eine neue Existenz aufzubauen vermag. Zu den exilrussischen Kreisen, die sich allmählich in der französichen Hauptstadt einfi nden, gehört auch der einstmals mächtige Prinz Sergius Wladimir und seine düstere Entourage. Wie er es geschafft hat, sein beträchtliches Vermögen ausser Landes zu schaffen, bleibt sein Geheimnis. Es erlaubt ihm jedenfalls, seinen aufwendigen Lebensstil auch im Exil beizubehalten. Prinz Sergius Wladimir ist gewohnt anzuordnen und seine Anordnungen befolgt zu sehen! Das betrifft auch amouröse Angelegenheiten. Der Prinz ist – natürlich standesgemäss – heftig verliebt in die schöne Fürstin Fedora Palinska, auch sie eine Vertriebene, deren Fühlen und Sehnen um das Lebensthema «Alles, ach alles nur: pour l'amour!» kreist. Die attraktive Fürstin, seit kurzem vermögende Witwe, wird von manchen Herren heftig umworben, um nicht zu sagen bedrängt. Auch der Prinz begehrt, liebt sie – doch Fedora gibt ihm einen Korb, denn sie fühlt sich zu einem Zirkusartisten hingezogen, der sich dem Publikum nur maskiert zeigt. Es ist der bereits legendär gewordene Mister X. Dass sich Fedora und er vor Jahren in St. Petersburg bereits begegnet sind, weiss nur er, sie nicht.
Paris ist DIE Stadt der frühlingshaften Liebesgefühle – und die haben auch einen jungen Österreicher namens Toni Schlumberger gepackt. Er hat sich in ein weibliches Mitglied des Zirkus Stanislawsky verguckt, in die Zirkusreiterin Miss Mabel Gibson. Wobei man den Verdacht hegen kann, dass es ebenso gut eine andere hätte sein können, denn Toni bekennt ungeschminkt: «Wenn ich in den Zirkus gehe, abends dann und wann, und die süssen Mäderln sehe, ach, wie wird mir dann!» Die Liebesbeziehung zwischen ihm und Mabel, die merkwürdigerweise auch aus Wien stammt, wird sich einfacher gestalten als jene von Fedora und Mister X.
Ich liebe sie, hat das noch nie ihr Herz tief gerührt?» Prinz Sergius Wladimir hat die Zurückweisung seiner Liebesgefühle durch Fedora nur schlecht verdaut. Fluchend sinnt er auf Rache: «Tschort Wasmy», flucht er im heimischen Idiom. In der Zirkusbar stösst er auf Mister X, man kommt ins Gespräch und der Prinz heckt einen perfiden Plan aus, um Fedora öffentlich zu demütigen. – Unterdessen hat Miss Mabel Gibson ihren Auftritt gehabt. Sie ist bedrückt, denn es ist einiges schief gelaufen, was auch Direktor Stanislawsky nicht entgangen ist. Er schimpft und will sie entlassen. Doch Mister X, als Kollege überaus liebenswürdig, tröstet Mabel und verspricht ihr, sich für sie einzusetzen: «Manchmal treibt das Schicksal Sachen wirklich zu gemein... wer wird denn gleich weinen, mein Kind?». Um seinen Racheplan perfekt auszuführen, gibt der Prinz nach der Vorstellung einen rauschenden Empfang, zu dem alle eingeladen sind – und so endet der erste Akt in einem vermeintlich rauschenden Finale.
Zweiter Akt: Im Pariser Palais des Prinzen Sergius Wladimir – sechs Wochen später
Prinz Sergius Wladimir nennt auch in Paris einen standesgemässen Wohnsitz sein Eigen. In seinem Palais hat sich eine illustre Gesellschaft versammelt. Beim Aufgehen des Vorhanges befinden wir uns mitten in einem ersten Höhepunkt des Festes: «Freut euch des Lebens» jubelt die ganze Gesellschaft, die – nach dem rachsüchtigen Plan des Prinzen – Zeuge der öffentlichen Demütigung Fedoras werden soll. Doch gleich bei Fedoras Erscheinen muss der Prinz nochmals eine Brüskierung Fedoras über sich ergehen lassen. Nur mühsam behält er die Fassung.