Wir bieten Ihnen ein Geschäft an. Wir geben Ihnen 100 Euro. Sie geben uns dafür 200 Euro zurück. Das klingt nach einem schlechten Deal? Willkommen in der Welt des verbrecherischen Steuerbetrugs! Das Finanzwesen hat sich von jeder Kontrolle und Ethik gelöst. Doch mit welcher Rechtfertigung lehnen Investoren und Banken die Gemeinschaft ab? Wer empört sich darüber? Warum liegt die Strafverfolgung weit hinter den Tricksern zurück? Im Stile eines Wirtschaftsthrillers spüren die Cum-Ex-Papers diesen Fragen nach und werfen neue Perspektiven auf ein Phänomen, das ganz eigenen Regeln zu folgen scheint.
Über den Inhalt
Die Cum-Ex-Geschäfte sind, wie auch die Panama und die Paradise Papers, Beispiele für Steuer- und Wirtschaftsskandale der jüngeren Vergangenheit. Investoren und Banken bereichern sich auf Kosten des Sozialwesens und Geld akkumuliert bei denen, die schon viel haben. Die Steuertricks scheinen keine Einzelfälle zu sein, sondern sind entschlüsselte Symptome eines kranken Systems.
Die Aufklärung über die Machenschaften ist dank einiger investigativer Journalisten und Journalistinnen recht weit gediehen, jedoch versandet die rechtliche Verfolgung der internationalen Profiteure spätestens an den nationalen Grenzen. Neben der rechtlichen Aufarbeitung liegt auch das inhaltliche Verständnis dieser globalen Parallelgesellschaft brach. Wieso sind immer neue Modelle des Betrugs zu finden und warum liegt die Strafverfolgung in ihren Mitteln so weit hinter den Möglichkeiten der Investoren zurück?
Zwei Journalistinnen, Alexandra Rojkov und Franziska Bulban, werden im Auftrag der Produktion recherchieren, um das Verstehen dieses Systems, das beinahe staatlich geduldet erscheint, zu fördern. Sie suchen weniger nach der investigativen Sensation, als dass sie fragen, mit welchen inneren und äußeren Rechtfertigungen Steuergelder in Milliardenhöhe hinterzogen werden können. Ziel ist es, neue Perspektiven auf ein gesellschaftliches Phänomen zu gewinnen, welches einer ganz eigenen Narration zu folgen scheint. Ist das entfesselte Finanzwesen das Resultat eines postmodernen Hyperindivualismus, der sein „Anything goes“ auf alle Lebensbereiche ausweitet und damit jede Verantwortung negiert?
Die Cum-Ex-Papers erzeugen mit den genretypischen Elementen eines Wirtschaftsthrillers einen dramaturgischen Sog. Doch die Gewissheiten der bekannten Erzählmuster verschwimmen zusehends. Was ist echt? Wen trifft die Schuld? Wie konnte das überhaupt passieren? In einer interdisziplinären und multimedialen Performance weitet das Projekt die Wahrnehmung eines Problems, indem sie die Machenschaften nicht als abgeschlossenen Krimi, sondern als systemimmanente Strukturen entlarvt
Über die Inszenierung
Die Inszenierung erzählt auf Grundlage der Rechercheergebnisse zu den Cum-Ex-Geschäften einen Wirtschaftsthriller über die Parallelgesellschaft eines entfesselten Finanzwesens.
Verfremdet durch eine multimediale und interdisziplinäre Ästhetik bedienen wir uns den Gesetzen des Krimigenres, um die Frage zu stellen, welche gesellschaftliche Narration es ermöglicht, dass immer neue Lücken im Steuersystem gefunden werden, ohne einen wirklichen Aufschrei zu erregen. Die Schuldfrage scheint bezeichnenderweise kaum eine zu sein. Es wird lediglich gefragt: Wie war das möglich?
Wir engagieren zwei Journalistinnen, die neue Perspektiven auf die Rechtfertigungsstrategien und die politischen Rahmenbedingungen dieser Deals schaffen. Wir setzen mit dieser innovativen Form der Autorenschaft auf ein Projekt, das über die Aufführung hinaus geht, indem es neues Wissen für die Öffentlichkeit generiert und gleichzeitig Material für unsere Textfassung liefert. Unser Anliegen ist dabei in zweierlei Hinsicht politisch motiviert: Wir möchten erstens verhindern, dass die Aufarbeitung der Cum-Ex-Geschäfte versandet, zweitens verstehen wir die Partnerschaft zwischen Kunst und Journalismus als Bekenntnis zur Presse- und Meinungsfreiheit.